Wühltisch

Heute habe ich das erste Mal bei einem Discounter bei Ladenöffnung vor der Tür angestanden, um Wertvolles für wenig Geld zu erstehen.

Das würde meine zweite konkurrierende Wühltischerfahrung werden. Die erste hatte ich erlebt, als ich auf eine Bahn wartend, nichts ahnend in einen Laden geschlendert war, der zufällig in dem Moment eine Aktion startete. Damals war die Hölle los. Innerhalb von Minuten lagen da die billig angeboteten Markenschuhe kreuz und quer im Verkaufsraum verstreut. Ich habe damals eine Frau bewundert, die einen hervorragenden Überblick bewies und Schuhe in verschiedenen Größen und Designs für ihre vielen Kinder inmitten des Chaos fand und anderen sogar noch Tipps geben konnte, wo sie ihre Größe gerade finden können. Ich hatte auch für mich Schuhe finden wollen, wo ich schon mal da war. Ich war aber zu langsam, um das Angebot erstmal abzuchecken und dann noch meine Größe zu finden. Bis ich den Überblick hatte, war alles weg, was besonders attraktiv war.

Diesmal wusste ich aber, dass es eine Aktion geben wird und was da liegen würde und was ich haben wollte. Angeboten wurden Modeartikel von Jette Joop für kleines Geld bei ALDI. Ich war gut vorbereitet. Ich kannte die offiziellen Namen aller Produkte und ich wusste, wie die Kleidergrößen bei den Produkten bezeichnet waren, die ich haben wollte. Zudem hatte ich mich im Vorfeld entschieden, welche Größen ich wählen würde. So war sichergestellt, dass ich die Produkte blitzschnell würde identifizieren können und auch bei der Größenwahl nicht zögern würde.

Es war 8 Uhr. Vor der Tür stand im Pulk eine größere Gruppe Menschen. Hauptsächlich Frauen, aber auch ein paar Männer. Nach der Öffnung des Ladenlokals, die mindestens 5 Minuten zu spät stattfand, ging eine nach der anderen durch das Drehkreuz und dann - schneller - direkt zu dem Aktionsbereich. Der war viel zu klein, weshalb die Angebotskörbe schnell von Interessentinnen dicht umringt waren. In zweiter oder dritter Reihe war weder Orientierung noch Zugriff möglich. Nur wenn jemand aus der ersten Reihe auf die andere Seite der Körbeanordnung wechseln musste, um an einen anderen Artikel der Kollektion zu kommen, konnte man einen Platz in erster Reihe ergattern.

Völlig irre fand ich, dass bei den ersten, die an den Körben angekommen waren, tatsächlich welche dabei waren, die Packungen aufgerissen hatten und, ohne von den Körben wegzurücken, sich die Klamotten zum Maßnehmen an den Körper hielten. Deren absurde Seelenruhe war natürlich schnell vorbei.

Warum die Teile auf Wühltischen offenbar auch bei Beginn einer Aktion nie nach gleichen Größen sortiert sind, ist mir ein Rätsel. Als wenn Händler auf das Chaos nicht verzichten wollten. Immer liegen verschiedene Größen beieinander, weshalb beim Zu-Seiner-Größe-Durchwühlen schon die Erste anfängt, die Teile der unpassenden Größen auf den falschen Produkthaufen zur Seite zu werfen. Die Nächsten haben dann also nicht nur das Problem, ihre Größe, sondern auch das gewünschte Produkt zu finden.

Als ich zu meinem ersten Korb vorgedrungen war, habe ich versucht anders damit umzugehen. Ich verkündete jeweils laut, welches Produkt in welcher Größe ich gerade in der Hand hielt, wenn ich selbst es nicht gebrauchen konnte. Aus zweiter und dritter Reihe oder von nebenan wurde dann reagiert: "Ja, hier ich", rief jeweils jemand und griff danach. Zwar lobte man mich lautstark dafür, aber niemand tat es mir gleich, weshalb ich später Angst bekam, dass ich meinen eigenen Bedarf nicht zu decken schaffen würde, wenn ich jetzt nicht begänne unkommentierend zielstrebig nach meiner Größe zu suchen. Denn meine Nachbarn warfen ja die Größen des Produkts, die sie nicht brauchten, von mir weg und von woanders her landeten statt dessen ganz andere Artikel vor meiner Nase. Ich stoppte deshalb meine Verteilungsarbeit und achtete aber darauf, dass ich zumindest die Artikelvermischerei nicht mit zu verantworten hatte.

Im Verdacht, dass sie nur für den spekulativen Weiterverkauf rafften und Platz in erster Reihe blockierten, standen bei mir zwei ältere Männer. Als ich meine Hosen hatte und nun die Blusen suchte und nicht finden konnte, rief ich: "Wo sind die Blusen?" in die Menge. Jemand antwortete von schräg-links hinter mir: "Da steht der Mann vor." Der stand schräg rechts vor mir. "Ach, will der sich 'ne Bluse kaufen?", reagierte ich spontan. Er stand da übrigens schon von Beginn an und hatte viel Handlungsraum; denn Frauen scheuten sich bei ihm offenbar eher, ihn zu berühren. Dieses Privileg habe ich dann aber beendet und mich eng an ihm vorbei geschmiegt.

"Irgendwo noch eine Bluse in Hellblau?" rief ich, als ich sie bei den Blusen nicht finden konnte. "Keine mehr da. War als erste weg", rief jemand zurück.

Um 8:20 Uhr hatte ich sonst alle Teile, die ich haben wollte, kaufte im Laden noch Kondensmilch und Mülltüten und stand um 8:25 Uhr an der Kasse.

Dort traf ich eine Studentin, die allerhand von der Kollektion auf das Band gelegt hatte. "Ihr Kleiderschrank wird jetzt aber deutlich voller werden", sagte ich zu ihr. "Nein, das täuscht. Davon ist nur ein einziges Teil für mich selbst, der Rest ist für meine Mutter und ihre Freundin. Die zwei haben mich gestern bekniet, mich für sie in's Getümmel zu stürzen, weil sie selbst nicht hier sein könnten und ich doch vorlesungsfrei hätte", antwortete sie. "Na, da haben sie jetzt aber was gut bei den beiden", merkte ich an. "Ja, schon, oder?!" stellte sie fest.

Nachdem ich gezahlt hatte, schaute ich nochmal hinüber zu den Aktionskörben. Dort hatten sich Gerangel und Ware deutlich reduziert. Es würde nicht mehr lange dauern, bis alle besonders gefragten Artikel weg wären.Und auch der Rest wird zumindest den Tag sicher nicht überstehen.

Fazit:

Gut vorbereitet zu sein, ist für eine schnelle Orientierung und unzögerliche Entscheidung unbedingt wichtig. Man muss außerdem schnell handeln, weil mit jeder Sekunde die Ware mehr und mehr unüberschaubar vermischt wird.

Die Vermischung kann nicht verhindert werden, solang in den einzelnen Körben kein oder nicht genügend freier Platz ist, in den hinein die Leute etwas beiseite legen können, das sie schon gesichtet haben, aber nicht gebrauchen können.

Ute Ziemes, upunktz.blogspot.com,

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